Freiräume schaffen – zufriedener studieren
Es gibt Menschen, die scheinen immer Zeit zu haben, andere leiden unter Zeitnot bis hin zu einer ausgeprägten Aufschiebeproblematik. Angesichts der Veränderungen des so genannten "Bologna-Prozesses" und der Umstellung zu Bachelor- und Masterstudiengängen wird der Umgang mit der Zeit zur immer größeren Herausforderung. Ein Studienjahr sieht an allen Universitäten, die das European Creditpoint Transfer System verwenden, etwa 1800 Arbeitsstunden vor. Das entspricht in etwa einer 38,5 Arbeitsstunden-Woche bei 6 Wochen Urlaub.
Studieren erfordert die Fähigkeit zur aktiven Gestaltung, intellektuellen wie emotionalen Präsenz und eine damit einhergehende Selbstorganisation. Diese Seite soll Ihnen nützliche Hinweise geben, “Werkzeuge“ zu erforschen, um die eigene Zeit besser zu nutzen. Hierfür wurden zur Vertiefung weiterführende Links an den Stellen eingerichtet, wo im Netz auf das jeweilige Thema Bezug genommen wird.
Zur Zeitplanung: Wenn Sie sich nur einen Überblick über das Thema verschaffen möchten, reicht es aus, sich etwa 10-15 Minuten diesem Text zu widmen. Möchten Sie die weiterführenden Links vollständig mit einbeziehen, so kann dies schnell eine Stunde Ihrer Zeit in Anspruch nehmen. Sollte am Ende der Wunsch bestehen, sich auszuprobieren und z.B. eine Planung für sich zu erstellen, so sollten insgesamt mehrere Stunden “reserviert“ werden.
Oft fehlt es an einem bewussten Umgang mit der zur Verfügung stehenden Zeit. Allein die Vorstellung, das halbe oder gar ganze Leben zu verplanen, bereitet vielen Unbehagen. Wird dadurch nicht meine freie Entscheidungswahl eingeschränkt? Bleibt dabei meine Kreativität auf der Strecke? Will ich nur noch funktionieren? Diese Sorgen sind unberechtigt und von Zeitmanagementprofis nicht gewollt, wenn auf Planungsmodelle verwiesen wird. Hingegen geht es darum, mehr Freiraum für Kreativität und auch Lustgewinn zu schaffen.
Der subjektive Blick beeinflusst unser Zeitgefühl
Nur selten ist es so, dass Studierende zu uns in die Beratung kommen und für ihre Vorhaben, z. B. Vorbereitung auf die nächste Klausur, tatsächlich zu wenig Zeit haben. Meistens fehlt eher ein gesundes Verhältnis zum subjektiven Zeitempfinden. Ein guter Einstieg für den Umgang mit der Zeit bietet die Seite von Marcus Knill: “Zeit managen - aber wie?“. Hier wird zu Beginn sehr anschaulich auf das Zeitgefühl eingegangen. Dass wir durch unsere Einstellung unser Zeitempfinden beeinflussen können, ist eine erste hilfreiche Erkenntnis. Allein durch Veränderung des Blickwinkels kann aus einer eben noch als stressig und belastend empfundenen Situation wie: “Ich habe zu wenig Zeit“ eine Einstellung Oberhand gewinnen, die noch zur Verfügung stehende Zeit besser zu nutzen mit dem einhergehenden Gefühl: “Ich werde es schaffen“.
Leider ist die Macht der Gedanken nicht immer so einfach zu beeinflussen, so dass das eine oder andere Hilfsmittel benötigt wird. “Nein“-Sagen lernen ist ein nützlicher Baustein, zu einem besseren Umgang mit der Zeit zu gelangen. Gewisse Forderungen und Aufgaben, die normalerweise problemlos “nebenher“ erledigt werden, dürfen in arbeitsintensiven Phasen reduziert werden, wenn sie einen zu sehr einschränken. Es geht darum, den Blick für das Wesentliche zu schärfen und Prioritäten zu setzen. Gerade in vermeintlicher “Zeitnot“ wird gerne übersehen, wie viele Dinge doch eigentlich unnötig sind oder von jemanden anders erledigt werden könnten.
Sich von so genannten Zeitfressern und Störungen zu befreien, scheint dabei die schwierigste Aufgabe, um zu einem zufriedeneren Zeitempfinden zu gelangen. Ein möglicherweise klingelndes Handy abzuschalten, gelingt den meisten noch. Was ist aber mit in den Vordergrund tretenden Gedanken von z. B. Unlust, Sorgen und Ängsten? Eine Bewusstmachung dieser Störungen scheint der wichtigste Schritt, um diese irgendwann in den Hintergrund treten zu lassen. Sich an eine derartige Bestandsaufnahme zu machen, ist nicht leicht und erfordert Mut und Stärke. Oft hilft ein Gespräch mit Vertrauten, sich überhaupt erst einmal seinen “inneren Boykotteuren“ zu stellen, bewußt zu werden.
Was sind Gründe für eine Aufschiebeproblematik?
Was sind die Gründe für einen nicht befriedigenden Umgang mit der zur Verfügung stehenden Zeit? Warum leiden Menschen an Aufschiebeproblematik? Einen guten Überblick verschafft Hans-Werner Rückerts: “Aufschieben kurz und knapp“. Der Diplom-Psychologe und Psychoanalytiker ist Leiter der Zentraleinrichtung Studienberatung und Psychologische Beratung der FU Berlin. Er beschreibt, was Menschen zu Aufschiebern macht und gibt eine Kurzanleitung zur Selbsthilfe. Auch hier wird betont, welche Wichtigkeit eigene Ziele und Prioritäten haben sollten. Dies kann nur durch Bewusstmachung derselben erfolgen.
Studierende legen oft sehr hohe Maßstäbe an sich selbst an. Dabei ist der von außen erzeugte Druck schon erheblich. An sich große Herausforderungen werden so zusätzlich überhöht und verhindern einen unbeschwerten Einstieg in eine arbeitsintensive Zeit. Eine realistischere Gesamteinschätzung des Vorhabens und ein maßvollerer Anspruch an sich selbst können helfen, Projekte zu beginnen und in die Tat um zu setzen. Dieses zu erkennen, fällt im Austausch mit einem unbeteiligten – nicht Druck ausübenden – Gegenüber leichter.
Neben dem oft im Weg stehenden Perfektionismus scheint ein nicht zu unterschätzender Aspekt die hohe Ablenkungsbereitschaft aufgrund eines breit gefächerten Interessengebiets und großer wissenschaftlicher Neugierde zu sein. Diese eigentlich positive Einstellung, welche oft Forschung und Wissenschaft überhaupt erst möglich macht, ist in einer arbeitsreichen Zeit, in der sehr behutsam mit der knappen Ressource “Zeit“ umgegangen werden sollte, von Nachteil. Es gilt, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und sich vor noch so interessanten Ablenkungen zu schützen. Weitere Gründe für eine Aufschiebeproblematik finden sich unter: “Ursachen der Procrastination“, Unterseite einer ganzen Homepage, die sich allein der “Kunst des Verschleppens und Verzögerns“ widmet.
Was ist zu tun bei Problemen mit der Zeitorganisation?
Um nach einer Bestandsaufnahme der eigentlichen Hindernisse zufrieden mit der Zeit umgehen zu können, geht es darum, einen individuell abgestimmten “Fahrplan“ aufzustellen. Dazu können Planungsmodelle hilfreich sein.
Fertigen Sie eine Liste mit allen zu erledigenden Aufgaben an. Auch wenn sich einige von vornherein scheuen, eine solche Liste zu erstellen, lohnt es sich. Sie verschafft auf einer anderen Ebene einen sichtbaren Überblick über sämtliche Vorhaben. Diese Liste kann sich themenorientiert auf ein Projekt wie z. B. “Fertigstellung einer Hausarbeit“ beziehen. Sie kann aber auch in einer “verqueren“ Gesamtsituation weiterhelfen. Sind alle Dinge erfasst, kann eine Wertigkeit vorgenommen werden. Was ist eigentlich wichtig für mich? Was könnte fallen gelassen werden? Was erledige ich sowieso nicht? Was könnte eventuell jemand anders für mich erledigen? Beim Anfertigen einer solchen Liste ist darauf zu achten, ehrlich sich selbst gegenüber zu treten und nichts auszulassen. Auch sollte sie “sichtbar“ bleiben, was bedeutet, dass nach Anfertigung weiter aktiv mit dieser Liste umgegangen wird. Ziehen Sie Ihren Gesamtüberblick regelmäßig hervor und aktualisieren Sie, wenn erforderlich. Fügen Sie neue Vorhaben hinzu, schlüsseln Sie größere Projekte in Teilschritte auf, streichen Sie Erledigtes.
Im Weiteren könnten die verbliebenen Vorhaben in ein genaueres Zeitschema wie z.B. einen Wochenplaner gebracht werden. Dieses hilft, Räume zu schaffen, wann die Vorhaben angegangen werden können und wann vor allem andere Dinge keinen Raum mehr einnehmen sollten. Es geht darum, sich eine Art Jobmentalität anzueignen. In einen derartigen Wochenplaner gehören aber nicht nur die Arbeitszeiten. Auch die “freien Zeiten“ sollen berücksichtigt und eingeplant werden. Hierzu zählen im Studium z.B. Freunde, Haushalt, Job, Sport, Hobbies und Interessen, aber auch ausreichend Ruhe- und Erholungsphasen.
Besteht das Gefühl, den Tag schon schlecht bestreiten zu können, weil kein Anfang und kein Ende absehbar ist, können Tagesplaner eine Hilfe darstellen. Sie dienen einer weiteren Strukturierung für Tage, an denen sehr viel anzustehen scheint.
Es besteht nun eine Möglichkeit, Vorhaben für Vorhaben anzugehen und – ganz wichtig dabei – auch abzuarbeiten. Symbolisch wird jedes Mal ein Vorhaben von der Liste gestrichen. Erfahren Sie, wie gut es tun kann, Dinge, die erledigt wurden, zu streichen.
Haben Sie Schwierigkeiten, sich gezielt einen Überblick zu verschaffen? Suchen Sie sich einen “Coach“, der Ihnen dabei behilflich sein kann.
Weiterführende Ratgeber zu einer gelingenden Arbeitsorganisation
Gern verweisen wir hier auch auf die Kolleg*innen der Lernwerkstatt der LUH, die auf Ihrer Seite u.a. die Broschüre "Starthilfe Lernen" zur Verfügung stellen. Diese bietet eine Hilfestellung , dass eigene Lern- und Arbeitsverhalten zu prüfen sowie gezielte Übungen um Lernstrategien individuell anzupassen. Weiter bietet die Lernwerkstatt auch Workshops und individuelle Beratungen rund um das Thema Lernen und Prüfungsvorbereitung an.
Ein anschauliches Fallbeispiel für Studierende, wann das eigene Verhältnis zur Zeit überdacht werden sollte, da anstehende Vorhaben zunehmend oder bereits dauerhaft unter vermeintlicher Zeitnot und/ oder mit einhergehender Aufschiebeproblematik umgesetzt werden, beschreibt Andreas Witte, Diplom-Psychologe und Psychologischer Psychotherapeut in der für die Psychotherapeutische Beratungsstelle (PBS) in Hildesheim herausgegebenen Broschüre Selbstständig arbeiten. Techniken der Selbstorganisation und des Zeitmanagements werden näher betrachtet und mit sinnvollen Beispielen untermalt.
Ähnliche Ansätze verfolgt die Psychosoziale Beratung Oldenburg (PSB) in ihrem Online-Leitfaden für Studierende. Besonders geeignet erscheint der Vorschlag, sich ein "Grübelbuch" anzuschaffen. Bei richtiger Handhabung kann dieses zu einem nicht zu unterschätzenden "Zeitgewinn" führen, auch wenn ein vermeintlicher Mehraufwand dem entgegen zu stehen scheint. Besonders bei längeren Ausarbeitungen empfiehlt sich das Schreiben eines derartigen "Logbuches" oder "Journals" schon allein wegen einer verbesserten Selbstreflexion. Hauptzweck ist es, eine sinnvolle "Ablage" für störende Gedanken zu schaffen.
Ein sinnvolles Lernmodul zum Zeitmanagement während der Prüfungsvorbereitung bietet die Zentraleinrichtung Studienberatung und Psychologische Beratung der FU Berlin, welche per Videostream zu einem verbesserten Umgang mit dem “knappen Gut“ rät.
Oft vergessen werden die angenehmen Zeiten, die sich nicht mehr gegönnt - geradezu verboten - werden. Hinzu kommt oft eine Abgrenzung zu sozialen Kontakten, ja fast schon ein Hang zur Isolation. Beides scheint nach Meinung der Expertenwelt falsch. Es ist eine Kunst, dieses in einem vermeintlich übervollen Pensum mit zu berücksichtigen und Zeiten zu reservieren für Freunde, Entspannung, Ausgleich. Viele Studierende gehen soweit, sogar Pausen oder Schlaf zu vernachlässigen, was bei objektiver Betrachtung nur kontraproduktiv erscheinen kann. Werden Sie sich Ihrer Wünsche und Bedürfnisse nach Ausgleich von der Arbeit bewusst und reservieren Sie ausreichend Zeit (gerade auch und erst recht in “Hochzeiten“). Einige Ansätze finden sich unter "20 Tipps wie du schnell deine Produktivität steigern kannst". Wenn schon planen, dann auf jeden Fall auch die “freie Zeit“. Das bedeutet nicht, dass in jede freie Minute ein Block mit Aktivität gesetzt werden sollte. Es geht darum, ausreichend Zeit zum Wohlfühlen und Entspannen – einfach nur für sich - zu bekommen.
Nehmen Sie sich die Zeit
Der Entschluss, seinen Umgang mit der Zeit zu verändern, ist nicht einfach in die Tat umzusetzen und als Prozess aufzufassen. Beim Ausprobieren verschiedener Techniken sind Rückschläge nicht auszuschließen und normal. Lassen Sie sich davon nicht entmutigen und finden Sie Ihren Weg. Es muss ja nicht gleich der vollständig durchstrukturierte Wochenplaner sein, an den sich (nicht) gehalten wird. Oft hilft schon eine erste To-Do-Liste, in der ehrlich alle Vorhaben und Wünsche schriftlich fixiert werden. Das Eingeständnis, sich so in seinem Vorgehen und Sein zu akzeptieren und nicht zu diskreditieren ist ein erster wichtiger Schritt. Haben Sie das Gefühl, es alleine nicht in den Griff zu bekommen, scheuen Sie sich nicht, unsere Beratung aufzusuchen oder ein entsprechendes Gruppenangebot zu besuchen.
Bei Fragen, Anmerkungen, Hinweisen auf Verbesserungsvorschläge oder Kritik senden Sie uns bitte eine Mail.
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30167 Hannover
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